Tötung auf Verlangen
Im August 2019 bat ein seit dem Jahre 1993 unter immer stärkeren Schmerzen leidender Mann seine Frau, ihm alle noch verfügbaren Schmerzmittel sowie 6 schnell wirkende Insulinspritzen zu verabreichen. Die Frau, die früher als Krankenschwester gearbeitet hatte, wusste, dass dies den Tod ihres Mannes herbeiführen würde.
Das Landgericht Stendal bewertete das Handeln als Tötung auf Verlangen und verurteilte die Frau zu 1 Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Der 6. Strafsenat – bekannt dafür, mit von Angeklagten eingelegten Revisionen eher „streng“ umzugehen -, hob die Entscheidung auf und sprach die Angeklagte frei.
Die Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid erfordere eine normative Betrachtung. Wenn ein schwer Kranker, der in seiner Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt sei, seinen Sterbewillen unmissverständlich zum Ausdruck bringe, entfalle die Eintrittspflicht des Ehegatten für das Leben des Partners.
§ 216 Abs.1 StGB bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung, wonach jedenfalls diejenigen Fälle vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden, in denen es einer sterbewilligen Person leidensbedingt faktisch unmöglich ist, ihre frei von Willensmängeln getroffene Entscheidung, aus dem Leben zu scheiden, selbst umzusetzen, sondern darauf angewiesen ist, dass eine andere Person die unmittelbar zum Tod führende Handlung ausführt
– Beschluss vom 28. Juni 2022 – 6 StR 68/21.
Ich könnte mir vorstellen, dass den Senatsmitgliedern die Entscheidung alles andere als leicht gefallen ist.