Psychologie im Strafverfahren

Im Strafverfahren hat man es mit Menschen zu tun.

Dem, was so selbstverständlich klingt, sollten auch Verteidiger viel mehr Beachtung schenken.

Die für den zwischenmenschlichen Umgang notwendigen „softskills“ hat man uns Juristen während der Ausbildung leider nicht beigebracht.

Der „gute Verteidiger“ zeichnet sich aber nicht nur dadurch aus, dass er Gesetze und Rechtsprechung kennt. Das sollte selbstverständlich sein, weil wir darin geschult wurden.

„Erfahrung“ ist zwar wichtig, jedoch keineswegs unfehlbar, denn wer vieles erfahren hat, muss daraus nicht zwangsläufig die richtigen Lehren gezogen haben.

„Learning by doing“ lässt sich zwar nicht gänzlich vermeiden, den Preis, den der Mandant dafür zahlt, sollte man jedoch möglichst gering halten.

Bei diesen „softskills“ geht es unter anderem darum, die besser zu verstehen, mit denen man es zu tun hat, also nicht nur um den eigenen Mandanten, sondern auch um die Ermittlungspersonen, die sonstigen Zeugen und das Gericht.

Das Ziel erreicht nur, wer bereit ist, dazu zu lernen und zwar jeden Tag und jedes Jahr.

Ich nehme seit langem am „Arbeitskreis Psychologie im Strafverfahren“ teil, bei dem es an jedem ersten Novemberwochenende in Düsseldorf zu einem äußerst fruchtbaren Gedankenaustausch mit Psychologen, Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern kommt.

Für die so wichtige Bewertung von Zeugenaussagen – entgegen landläufiger Meinung findet sich die „Aussage-gegen Aussage-Konstellation“ keineswegs allein im Sexualstrafrecht – sind diese Treffen von unschätzbarem Wert.

Zu den „softkills“ gehört es auch, den richtigen Ton zu finden. Der spielt bereits in der Vernehmungslehre eine wichtige Rolle, denn: Wer fragt, bekommt Antworten, wer richtig fragt, bekommt richtige Antworten.

Zum „guten Strafverteidiger“ kann auch ein Resilienztraining beitragen, denn kaum ein anderer anwaltlicher Tätigkeitsbereich verlangt einem so viel Frustrationstoleranz ab. Der engagierte Verteidiger wird in der Regel von Polizeibeamten, Geschädigten, Staatsanwälten und Gericht nicht wirklich gemocht. Aus dieser prozessualen Einsamkeit in Zynismus oder Alkohol zu flüchten, führt früher oder später in eine Sackgasse.

Der gute Strafverteidiger sollte auch über Interaktionsvarianten verfügen. Wer immer nur poltert, wird irgendwann nicht mehr ernst genommen, dem, der in der Erwartung weiterer Pflichtverteidigungen stets unterwürfig agiert, droht ein ähnliches Schicksal.

Kompromisslose Interessenvertretung, überzeugende juristische Argumentation und ein verbindlicher Ton gehen langfristig eine erfolgversprechende Liaison ein.

Wer testen möchte, wie sein Auftritt bei anderen ankommt, sollte eine Gruppenerfahrung wagen. Das feedback kann schmerzhaft sein, ist aber hilfreich.

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