Neue Urteile im Urlaubsrecht / Ausnahme von der 15-Monats-Regel

Es dürfte inzwischen in das „kollektive Bewusstsein“ eingegangen sein, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der dauerhaft erkrankt oder vollständig erwerbsgemindert ist und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen kann, 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

Am 22.09.2022 hat der Europäische Gerichtshof aufgrund einer Vorlage des Bundesarbeitsgerichts eine Spezialfrage geklärt, die für einiges Aufsehen in der Fachpresse gesorgt hat.

Der gesetzliche Mindesturlaub erlischt am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums, am 31. März des Folgejahres, dann nicht, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten vorher nicht in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch auch wahrzunehmen. Das bedeutet zwar nicht, dass der Urlaub konkret zugewiesen werden muss, aber der Arbeitgeber muss die bzw. den Betreffende(n) ausreichend über den Umfang der Urlaubsansprüche und den möglichen Verfall zum Jahresende (oder eben des Übertragungszeitraums) unterrichten.

Dies gilt wiederum nur, wenn der Arbeitnehmer zu Beginn des Bezugszeitraums noch arbeitsfähig war und erst im Verlauf des Kalenderjahres dauerhaft arbeitsunfähig wurde.

Wird in einem solchen Fall die Information nicht erteilt, kann sich der Arbeitgeber später nicht darauf berufen, der Anspruch sei verfallen. Dies steht auch für die deutschen Gerichte aufgrund zweier Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018 fest, ist aber in der Regel, wie die Erfahrung zeigt, offenbar noch nicht allgemein in das Bewusstsein der Arbeitsvertragspartner gedrungen. Wie immer gibt es natürlich noch einige Besonderheiten zu beachten, die zu behandeln an dieser Stelle aber zu weit führen würde (vgl. EuGH 22.09.2022 - C-518/20 und 727/20, Vorlagebeschluss BAG 07.07.2020 - 9 AZR 245/19 und 401/19).

Fazit:
Arbeitgeber sollten im Auge behalten, die Beschäftigten, auf die die Voraussetzungen zutreffen, rechtzeitig zu unterrichten und jede/r betroffene Arbeitnehmer/in sollte sich im Zweifelsfall überlegen, ob die Information erfolgt ist. Wenn nicht, könnten unter Umständen noch Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht werden, die z. B. bei Langzeiterkrankten ganz erhebliche Beträge ergeben können.

Susanne Elfering
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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